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“Team work makes the dream work!” – auch in der agilen Schulentwicklung



Ein Gespräch mit Jennifer Krüger über agile Schulentwicklung am Carl-Severing-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung der Stadt Bielefeld

Laura Vollmann-Popovic interviewt Jennifer Krüger


Im Januar 2021 ging eine spannende Anfrage des Carl-Severing-Berufskollegs für Wirtschaft

und Verwaltung (CSBWV) der Stadt Bielefeld bei uns ein. Das neu formierte Leitungsteam des Bildungsgangs „Höhere Handelsschule“ und das Team „Digitales Lernen“ haben es sich zum Ziel gesetzt, zukünftig agil zu arbeiten und uns um Unterstützung bei der agilen Teamentwicklung gebeten. Im März 2021 begann die gemeinsame Reise mit Scrum4Schools, auf der alle Beteiligten viel mit- und voneinander gelernt haben.


Gemeinsam mit Jennifer Krüger, Oberstudienrätin und Mitglied des Leitungsteams „Höhere Handelsschule“, blicke ich in diesem Blog-Beitrag auf zehn ereignisreiche Monate zurück. Dabei wollte ich von Jenny vor allem wissen, was sich durch die Arbeit mit Scrum für sie und das Team verändert und welche Erkenntnisse sie für sich ganz persönlich mitgenommen hat. Herausgekommen ist ein lesenswerter Erfahrungsbericht mit dem Fazit, dass sich der Blick über den Tellerrand in jedem Fall auszahlt, wenn man agile Schul- und Unterrichtsentwicklung vorantreiben möchte.


Jenny, bevor wir auf unser gemeinsames Projekt zu sprechen kommen, erzähl bitte unseren Leser:innen, wer du bist und wofür du brennst! Warum hast du dich entschieden, Lehrerin zu werden, was begeistert dich daran? Und was machst du am CSBWV Bielefeld genau?

Ich habe früh erkannt, dass mir die Fremdsprachen Englisch und Spanisch, die ich selbst in der Schule gelernt hatte, viele Türen öffnen. In Kombination mit meiner Leidenschaft für Reisen und andere Kulturen bieten Fremdsprachen großartige Möglichkeiten, die Welt zu entdecken und Leute kennenzulernen. An das Gefühl, selbstständig, frei und authentisch mit anderen Menschen jeglicher Herkunft kommunizieren zu können, kommt man meiner Meinung nach bis heute selbst mit neuester Technik wie Google Translate nicht ran. Und dieses Gefühl, dass einem die Welt offensteht, möchte ich auch meinen Schüler:innen vermitteln.


Als ausgebildete Gymnasiallehrerin bin ich eher zufällig an einem Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung gelandet. Da ich keine wirtschaftlichen Fächer unterrichte, habe ich meinen Fokus zur Weiterentwicklung über die Jahre zunächst als Klassenlehrerin des Schwerpunktseuropäisch handeln auf Klassen- und später dann Bildungsgangorganisation verschoben.


Du bist Mitglied im Leitungsteam „Höhere Handelsschule“. Was macht dieses Team und wie setzt es sich zusammen?

Unser Team setzt sich aktuell aus zwei Studiendirektoren (den beiden Bildungsgangleitern) sowie vier Oberstudienrätinnen mit unterschiedlichen Zusatzaufgaben im Bereich der Bildungsgangleitung zusammen. Der Bildungsgang umfasst zwei Jahrgangsstufen mit ca. 250 Schüler:innen, die das Fachabitur anstreben. Gemeinsam übernehmen wir klassische organisatorische Aufgaben wie zum Beispiel die Klassenbildung und Einschulung oder die Organisation und Durchführung von Abschlussprüfungen. Außerdem wollen wir die agile Schulentwicklung vorantreiben. Dazu gehören auch die Entwicklung, Ausarbeitung und Erprobung von Konzepten, wie beispielsweise dem einheitlichen Umgang mit Fehlzeiten, Klassenleitungsbriefings oder eben der Integration von agilen Frameworks wie Scrum in den Schulalltag.


Ihr habt Anfang des Jahres entschieden, dass ihr als Team gerne mit agilen Methoden, insbesondere mit Scrum, arbeiten wollt. Wie kam es dazu und was hast du dir damals darunter vorgestellt?

Unser Bildungsgangleiter Philipp Schulte hatte Scrum im außerschulischen Kontext entdeckt und das Potential für Schule und, in unserem konkreten Fall, die Arbeit in der erweiterten Bildungsgangleitung erkannt. Der Zeitpunkt war passend, da gerade zwei Kolleginnen – eine davon war ich – frisch im Team gestartet sind und wir uns dementsprechend neu aufstellen und finden mussten. Ich persönlich hatte von Scrum vorher noch nie gehört und konnte mir unter dem Begriff so gar nichts vorstellen.


Zunächst haben sich interessierte Kolleg:innen zu einer Dienstbesprechung getroffen, bei der ein persönlicher Kontakt von Philipp Schulte live aus den Vereinigten Staaten zugeschaltet wurde, der das Scrum-Framework (aus Unternehmersicht) erläuterte. Danach hatten wir alle erst einmal große Fragezeichen in den Augen, wie und ob das für Schule jemals funktionieren kann. Es war uns schnell klar, dass es in Eigenregie sehr schwierig werden würde, das Ganze ins Laufen zu bringen. So habe ich nach Scrum-Fortbildungen für Schulen gesucht und bin dadurch auf Scrum4Schools by borisgloger gestoßen.

Die Anfrage von Jenny nach externer Unterstützung bei der agilen Teamentwicklung ging im Januar 2021 beim Scrum4Schools-Team ein. Im Rahmen eines Sondierungsgesprächs mit Bildungsgangleiter Philipp Schulte ging es im ersten Schritt darum, die Erwartungen, Ziele und Wünsche des Teams sowie der Schulleitung transparent zu machen, damit wir dem CSBWV ein maßgeschneidertes Angebot erstellen konnten.

Im März starteten wir dann mit einem Kick-off Workshop in die Zusammenarbeit, an dem das Leitungsteam des Bildungsgangs “Höhere Handelsschule” und das Team “Digitales Lernen” teilnahmen. Im Kick-off-Workshop wurden die Grundlagen des agilen Arbeitens vermittelt. Zudem arbeiteten beide Teams an ihrem WARUM, also ihren Visionen, um sich auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Wir entwickelten auch ein passendes agiles Arbeitsmodell nach Scrum, das seither die Grundlage der agilen Teamzusammenarbeit darstellt.In den folgenden Wochen und Monaten begleitete ich das Leitungsteam “Höhere Handelsschule” bei einzelnen Teamtreffen als ScrumMaster, während meine Kollegin Anna Czerny mit dem Team “Digitales Lernen” zusammenarbeitete. Mein Team verständigte sich auf eine Sprintlänge von 4 Wochen. Pro Woche stand donnerstags zunächst ein 45-minütiger Termin zur Verfügung. Im Sinne der Selbstbefähigung bereitete ich die ersten vier Treffen (Planung, Weekly, Review, Retrospektive) vor und moderierte diese, danach übernahm ich nur noch die Vorbereitung und Moderation der Retrospektiven. Die externe Begleitung beider Teams durch Scrum4Schools endete im Dezember 2021 vorerst mit einem gemeinsamen Evaluations-Workshop. Eine Fortführung der Kooperation 2022 wird von beiden Seiten angestrebt.


Dann schauen wir mal auf die vergangenen zehn Monate und die externe Begleitung durch Scrum4Schools. Ist das, was du dir am Anfang vorgestellt hast, eingetreten? Was hast du erwartet, was hat dich überrascht? Was hast du als besonders wertvoll empfunden?

Das Grundkonzept von Scrum war uns bereits bekannt. Unklar war für mich am Anfang die Anpassung ans bzw. die Umsetzung im System Schule. Auch die längerfristige Zusammenarbeit mit Scrum4Schools als außerschulischem Partner fand ich spannend. Die daraus resultierende Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit sowie den externen Blick auf die Schule habe ich als besonders wertvoll wahrgenommen. Im Team neigen wir oft dazu, uns im Tagesgeschäft zu verlieren. Man darf ja nicht vergessen, dass unser Hauptjob per Definition das Unterrichten ist. Das Organisatorische läuft dann nebenher mit. Da war eure externe Perspektive sehr hilfreich. Ein weiterer Bonus war die Arbeit mit für mich neuen digitalen Tools wie dem Miro-Board oder dem Planner von MS Teams, die beide aus unserem jetzigen Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken sind.


Welche positiven Veränderungen stellst du für dein Team durch die Arbeit mit Scrum4Schools fest? Was waren eure größten „Learnings“?

Da ich relativ neu im Team bin und wir Anfang 2021 mit eurer Unterstützung zügig damit begonnen haben, Scrum zu nutzen, kenne ich die Zusammenarbeit vor der Einführung agiler Arbeitsweisen im Leitungsteam kaum. Für mich gab es vor der Einführung von Scrum allerdings wenig sichtbare Teamarbeit. Es war eher so, dass jede:r sich um den eigenen Aufgabenbereich gekümmert hat und vor „großen“ Events wie der Bildungsgangkonferenz fanden persönliche Treffen statt, um diese vorzubereiten.


Die Zusammenarbeit mit Scrum4Schools hat die Grundlage für das agile Arbeiten geschaffen: Durch die klare Struktur, die Scrum vorgibt, ist eine Verbindlichkeit im Team entstanden. Die Einführung digitaler Tools wie z. B. des Microsoft Planners macht Arbeitsprozesse und -ergebnisse sichtbar. Das sorgt zum einen für Transparenz und Motivation, aber auch – und das ist meiner Meinung nach der größte Zugewinn – dafür, dass Dinge tatsächlich umgesetzt und erledigt werden. Und das nicht erst, wenn es brennt.

Zusätzlich schafft die Rollenklarheit bei Scrum Sicherheit innerhalb des Teams und sorgt für mehr Effizienz. Als ScrumMaster habe ich jetzt z. B. ein genaues Auge auf das Zeitmanagement und kann mein Team in dieser lateralen Führungsrolle durch die Sitzungen leiten, ohne Macht und disziplinarische Kompetenzen in der Hierarchie, sondern ausschließlich mittels der Anerkennung durch mein Team.


Eine weitere wichtige Veränderung war die Integration eines festen, gemeinsamen und wöchentlich stattfindenden Termins für unsere Scrum-Treffen in den Stundenplan. Diesen Termin haben wir von zunächst 45 Minuten auf mittlerweile 60 Minuten gestreckt. Vorher war es den Teammitgliedern durch Überschneidungen im Stundenplan gar nicht möglich, sich innerhalb der Schulzeit regelmäßig ohne Unterrichtsausfall zu treffen. Noch recht neu ist die Einführung eines kurzen zusätzlichen “Weeklys”, das jeden Montag digital stattfindet und nur 15 Minuten dauert. Das klingt vielleicht erstmal nach zusätzlicher Arbeit – ist es aber nicht, denn der Workload bleibt gleich. Durch regelmäßige Treffen haben wir jetzt die Möglichkeit „vor die Arbeit zu kommen”, anstatt ihr hinterherzurennen. Wir können planen, agieren, optimieren und die Aufgaben verteilen, statt wie sonst häufig mit heißer Nadel zu stricken oder Feuer zu löschen. Es ist natürlich eine Umstellung, aber ich kann mir meinen Stundenplan ohne die Scrum-Treffen gar nicht mehr vorstellen.


Mit welchen Herausforderungen hatte das Team am meisten zu kämpfen und wie seid ihr damit umgegangen?

Zum einen gab es Veränderungen in der Teamzusammensetzung durch äußere, nicht änderbare Umstände (Mutterschutz, Krankheit), zum anderen war das Commitment und die Offenheit gegenüber Scrum als Methode innerhalb des Teams unterschiedlich. Geholfen haben da die regelmäßigen Retrospektiven zur Reflexion der Zusammenarbeit, die von euch moderiert und vorbereitet wurden. Sie haben das gegenseitige Verständnis und das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen (z. B. Umverteilung von Aufgaben, Formulieren gemeinsamer Ziele etc.) gefördert und dazu geführt, dass ein aktiver Perspektivwechsel erfolgen konnte und Erwartungshaltungen überdacht wurden. Durch die konsequente Arbeit an unserer Kommunikation haben wir es zudem geschafft, einen sicheren Raum und eine ehrliche Arbeitsatmosphäre mit wertfreien Hilfeangeboten zu schaffen.

Zu guter Letzt sind im Schulkontext auch knappe Zeitressourcen immer eine Herausforderung. Durch die Einführung fester Regeltermine für unsere Scrum-Treffen über die Stundenplanung haben wir den kontinuierlichen Austausch der Teammitglieder sichergestellt. Durch die Nutzung von MS Teams können wir wunderbar kollaborativ von unterschiedlichen Orten aus zusammenarbeiten. Teammitglieder können sich digital dazu schalten und im Planner stets die Aktivitäten nachverfolgen und priorisieren. Durch dieses effizientere Arbeiten werden an anderer Stelle auch wieder zeitliche Ressourcen frei.


Hat dich die Arbeit mit Scrum4Schools auch auf einer persönlichen Ebene herausgefordert? Welche Entwicklungen hast du bei dir selbst beobachtet, welche Erkenntnisse hast du für dich gewonnen?

Die Arbeit mit Scrum4Schools hat mich häufig herausgefordert. Ich bin auch definitiv noch mitten im Prozess, das Gelernte zu verarbeiten und umzusetzen. Eine so enge und intensive Zusammenarbeit mit sehr unterschiedlichen Charakteren und einer neuen Arbeitsweise kannte ich im beruflichen Kontext noch nicht. Davor habe ich mich auf meine Schüler:innen, den Unterricht und mich selbst konzentriert – auf meinen Verantwortungsbereich, meine Entscheidungen, meine Sichtweise. An keiner Stelle im Studium oder Referendariat war Teamwork unter Lehrer:innen ein Thema.


“Egal, was wir entdecken: Wir verstehen und glauben daran, dass jede:r in der gegebenen Situation gemäß seinem Wissensstand, seiner Fähigkeiten und Kenntnisse und mit den vorhandenen Ressourcen das Bestmögliche gegeben hat” Prime Directive

Am hilfreichsten (aber am Anfang noch sehr schwierig) waren für mich, neben den bereits genannten Aspekten wie Struktur und Rollenklarheit, die Prime Directive und die Sichtweise, dass diejenigen, die da sind, die Richtigen sind.


Diese Haltung nimmt für mich den Druck aus der Teamarbeit. Ich habe gelernt, mich zurückzunehmen und Dinge nicht persönlich zu nehmen. Das führt dazu, dass ich mich auf die Sache konzentrieren kann und meine Befindlichkeiten nicht im Weg stehen. Außerdem stelle ich fest, dass man Management-Skills braucht, um zu managen. Von Lehrer:innen wird oftmals erwartet, dass sie die vielen zusätzlichen organisatorischen Aufgaben nebenher schon irgendwie regeln. Mit den richtigen Werkzeugen an der Hand geht das natürlich um einiges besser.


Was rätst du anderen Lehrkräften, die sich auch auf den Weg machen wollen, in der Schule agil zu arbeiten? Hast du Tipps für sie?

Wenn man als Lehrkraft in einem Team effizient zusammenarbeiten möchte, muss man meiner Meinung nach auf der Metaebene Zeit investieren (z. B. in Retrospektiven). Der klassische Schulbetrieb ist dafür nicht ausgelegt, da Teamwork schon in der Ausbildung nicht als notwendige Kompetenz betrachtet wird und auch im Schulbetrieb offiziell keine Zeit dafür eingeräumt wird. Die „zusätzliche“ Zeit, die wir jetzt in unser Team investieren, lohnt sich. Am Anfang war der enge und teilweise emotionale Austausch befremdlich. Aber genau wie die hohe Arbeitsbelastung, die ja faktisch da ist, sind Emotionen und Befindlichkeiten eben auch da – ob man sie jetzt anspricht und mit ihnen arbeitet oder nicht. Dazu muss man natürlich bereit sein, sich und seinen Arbeitsprozess kritisch zu reflektieren, an der eigenen Haltung zu arbeiten und über den schulischen Tellerrand zu schauen. Scrum4Schools hilft dabei, das zu erkennen und ein positives, motivierendes Arbeitsklima zu schaffen. Das Ergebnis sind eine Arbeitserleichterung sowie ein Teamspirit, der motiviert.


Wie lautet dein ganz persönliches Fazit nach zehn Monaten externer Begleitung mit Scrum4Schools?

Für mich hat es sich ausgezahlt, mutig zu sein und mein Mindset aktiv an einer positiven bejahenden Grundhaltung auszurichten. So habe ich mich zum Beispiel getraut, die Rolle des ScrumMasters zu übernehmen und dabei viel über laterale Führung gelernt. Zudem habe ich die Retrospektiven genutzt, um wirklich in die offene und kritische Selbstreflexion zu gehen. So habe ich viel über mich selbst erfahren und festgestellt, wie wichtig ein regelmäßiger Perspektivwechsel ist. Auch hat sich bestätigt, dass wertschätzende Kommunikation die Basis für ein gut funktionierendes und eingespieltes Team ist. Mein persönliches Fazit ist also ganz klar: Team work makes the dream work – auch in der Schule!



Über Jennifer Krüger

Geboren in München und aufgewachsen in einer Kleinstadt in Ostwestfalen studierte sie Anglistik/Amerikanistik und Romanistik mit dem Schwerpunkt Spanisch in Münster.

Seit Beendigung ihres Referendariats an einem Bielefelder Gymnasium im Jahr 2015 unterrichtet sie Englisch und Spanisch am Carl-Severing-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung der Stadt Bielefeld. Neben der Arbeit mit den Schüler:innen und zusätzlichen Aufgaben in der erweiterten Bildungsgangleitung der Höheren Handelsschule liegen ihre beruflichen Interessensschwerpunkte im Bereich der Schulentwicklung sowie Teamarbeit und Kommunikation in der Schule.



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