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Scrum4Schools: für ein zukunftsfähiges Schulsystem

Boris Gloger

30. Jan. 2019

Boris Gloger: Wir müssen unsere Kinder auf die Arbeitswelt von Morgen vorbereiten!

Wie unsere Arbeitswelt in 20 Jahren aussehen wird, wissen wir nicht. Ständig ändern sich die Jobprofile und wir müssen lernen, mit neuen Technologien zu agieren. Wir, die gerade im Job stehen, müssen uns immer schneller an all diese Veränderungen anpassen. Doch das ist noch gar nichts! Unsere Kinder werden Digitalisierung, Globalisierung und Flexibilisierung in einem ganz anderen Tempo erleben. Aber wer bereitet sie auf diese Arbeitswelt von morgen vor? Das Schulsystem, dessen Aufgabe genau dies wäre, ist dafür überhaupt nicht vorbereitet. Die Bildungseinrichtungen verharren auf dem gleichen Stand wie noch zur Zeit der Industrialisierung. Noch immer wird den Schülern der Lehrstoff auf die gleiche Art und Weise vermittelt wie schon seit vielen Jahren: Frontalunterricht, sechs bis acht Stunden am Stück. So bleiben wichtige Eigenschaften wie Neugier, Teamwork und Selbstorganisation auf der Strecke. Schade! Dabei sind doch gerade das die Skills, die immer wichtiger werden. Umfragen, die wir gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Innofact bei Schülern, Lehrern und Eltern durchgeführt haben, belegen genau das. Das herkömmliche Schulsystem ist ein Auslaufmodell. Ich glaube: Es ist höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel im Schulsystem – und zwar weg von starren Unterrichtsmethoden hin zu einer agilen Vermittlung des Unterrichtsstoffes. So hat die Digitalisierung mit Scrum ein Managementframework hervorgebracht, das sich wunderbar zur effektiven Vermittlung und Aneignung von Wissen eignet – und dabei nicht nur die Lehrkraft, sondern auch die Schüler fordert. Mit unserer Initiative Scrum4Schools wollen wir genau das beweisen. Und der Erfolg der ersten Pilotprojekte gibt uns Recht – Scrum eignet sich ganz hervorragend für einen schülerzentrierten Unterricht. Sowohl von Lernenden als auch den Lehrkräften haben wir positives Feedback bekommen. In einem Geschichtsprojekt an unserer Pilotschule in Österreich, der Interessensorientierten Mittelschule Lanzendorf hat sich gezeigt, dass die Schüler sogar mehr eigens erarbeitetes Material geliefert haben, als von ihnen gefordert wurde. Wir finden: Bildungseinrichtungen müssen viel mehr sein, als nur ein Ort zur Wissensvermittlung. Im Sinne einer sich stetig wandelnden Gesellschaft und Arbeitswelt müssen sie unserem Nachwuchs zusätzlich zukunftsfähige Kompetenzen vermitteln. Nur so werden Kinder und Jugendliche fit für die Arbeitswelt der Zukunft.

Carsten Rasche: Scrum4Schools – so funktioniert es in der Praxis

Eins gleich vorab: Scrum4Schools ist eine völlig neue Lehr- und Lernmethode – weg vom altbekannten Frontalunterricht, hin zu einer völlig neuen Form des kollaborativen Arbeitens. Doch wer damit die traumtänzerische Romantik a la Waldorfschule assoziiert, liegt völlig falsch. Ja, es geht um selbstbestimmtes Lernen, doch in einem klar ergebnisorientierten Kontext: Schüler können Lerninhalte damit schneller und nachhaltiger aufnehmen. Das ist kein leeres Versprechen, sondern bereits gelebte Praxis. Wie beim klassischen Scrum setzen wir auch beim Scrum im Unterricht auf die drei zentralen Einheiten ScrumMaster, Product Owner und Team. Während sich das Lernteam selbstständig zu einem Thema Inhalte erarbeitet, werden sie durch den Lehrer zum erfolgreichen projektorientierten Arbeiten befähigt. Das zu erreichende Lernziel wird durch ihn festgelegt, gleichzeitig ist er inhaltlicher Experte sowie Coach. Vier Schritte werden in täglichen sogenannten Sprints bis zur Erreichung eines vorher gesetzten (Zwischen-)Ziels wiederholt. Im Planning wird zunächst das Ziel definiert, im Do geht es anschließend in die aktive Lern- und Arbeitsphase. Damit jedes Teammitglied immer über den aktuellen Projektstand informiert ist, wird jeder Schritt auf einer Lerntafel festgehalten. Am Ende jedes Tages wird im Daily ausgewertet, was erreicht wurde. In regelmäßigen Reviews (z. B. nach 14 Tagen) erfolgt das ausführlicher. In der Retrospective holen sich die Lernenden Feedback zum eigentlichen Lernprozess und können somit ihre folgenden Sprints verbessern. Wir selbst haben im Sommer 2018 bereits den Versuch an der IMS Maria Lanzendorf mit großartigem Ergebnis gestartet. In der praktischen Umsetzung lief das folgendermaßen ab: Im Fach Geschichte schlüpfte der Lehrer in die Rolle des Lehrmeisters (also dem sogenannten Product Owner) und formulierte einen Arbeitsauftrag. Dieser lautete, ein Zeitzeugenbüchlein zum zweiten Weltkrieg zu erstellen. Verschiedene Teile des Zeitzeugenbüchleins wurden in mehreren Zyklen – den sogenannten Sprints – erarbeitet. Zu Beginn jeder Arbeitseinheit (egal, ob in der Schulstunde oder zu Hause) traf sich jedes Lernteam zum Daily, um die gemeinsame Arbeit abzustimmen und Fragen zu klären. Zum Wochenstart präsentierten die Teams ihre Teilergebnisse vor der Klasse im Review. Das erhaltene Feedback sowie die Verbesserungsvorschläge konnten sie in ihren nächsten Sprint mit einfließen lassen. Insgesamt haben die Schüler bei Scrum4Schools nicht nur eine größere Freiheit im Lernprozess, sie können ihn auch selbst gestalten. Damit wächst ihre Eigenverantwortung, ihre Teamfähigkeit, als auch ihre Motivation, Dinge auszuprobieren. Gleichzeitig werden durch die Visualisierungen und regelmäßigen Auswertungen und Feedbacks Ergebnisse und Erfolge für sie visuell greifbar. Sie lernen, den Wert der Fähigkeiten ihrer Mitschüler zu erkennen und zu schätzen. So fördert Scrum4Schools anders als die bisher etablierten Lehrkonzepte das eigenverantwortliche und selbstorganisierte Handeln, unterstützt den Aufbau von Handlungs-, Problemlösungs- und Sozialkompetenz und fördert die Persönlichkeitsentwicklung. Und ganz nebenbei bereitet die Methode die Lernenden auf eine digitale Arbeitswelt mit agilen Arbeitsmethoden vor.
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