von Laura Vollmann-Popovic I
Die Integrierte Gesamtschule (IGS) Süd im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen ist keine gewöhnliche Schule: Seit der Gründung 2016 unterrichten etwa 40 Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter die rund 500 Schülerinnen und Schüler nach einem innovativen pädagogischen Konzept, das für die Frankfurter Schullandschaft als beispielgebend gesehen wird. Ende 2019 haben borisgloger consulting und die IGS Süd entschieden, ein gemeinsames Projekt zu den UN-Nachhaltigkeitszielen mit Scrum4Schools durchzuführen – das „Global Goals“-Projekt. Das Projekt ist im Fach „Leben“ (Fächerverbund Gesellschaftslehre und Naturwissenschaften) angesiedelt. Moritz Müller (Management Consultant) und Laura Vollmann-Popovic (Program Manager Scrum4Schools Deutschland) berichten im kollegialen Gespräch von ihren Erfahrungen aus der Anfangsphase.
Laura Vollmann-Popovic und Moritz Müller im kollegialen Gespräch
Laura: Moritz, seit wann sind wir von borisgloger consulting eigentlich an der IGS Süd unterwegs?
Moritz: Den ersten Kontakt mit der IGS Süd hatte wir Ende 2019, als sich unsere Kollegin Hélène Valadon mit Silke Henningsen, der stellvertretenden Schulleiterin der IGS Süd, zu einem Kennenlernen traf. Schon nach diesem ersten Treffen war klar: Die IGS Süd, mit ihrem innovativen pädagogischen Konzept, lebt Schule ganz anders und ist in ihrer Art zu Lehren und zu Lernen schon ganz nah dran an Scrum.
Nehmen wir zum Beispiel die Projektarbeiten, ein Schwerpunkt an der IGS Süd: Die Schülerinnen und Schüler arbeiten selbstständig in Gruppen an Themengebieten, die sie nach ihren eigenen Interessen aussuchen und erarbeiten. Es gibt das Fach „Leben“, in dem auch unser gemeinsames Projekt angesiedelt ist, sowie jeden Donnerstag einen Projekttag, an dem sich die Klassen eigene Projekte vornehmen und diese gemeinsam in Gruppen durchführen. In den sogenannten Fachbüros lernen die Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich und selbstständig in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch zu arbeiten und das in ihrem eigenen Tempo und gemäß ihrer eigenen Kompetenzen. Die Lernbegleiter und Lernbegleiterinnen halten sich im Hintergrund und stehen bei Bedarf beratend zur Seite.
Ein idealer Partner also, um Scrum4Schools im Rahmen eines konkreten Projekts auszuprobieren. Ich selbst bin im März 2020 mit in die Projektplanung eingestiegen. Das war gleich zu Beginn der Corona-Pandemie und kurz vor den bundesweiten Schulschließungen. Das fünfköpfige „Transition Team“ der IGS Süd und ich trafen uns online zu einem ersten Abstimmungstelefonat. Hier wurde schnell deutlich, dass es noch ganz viele Unklarheiten und offene Fragen gab. Gleichzeitig war die hohe Motivation aller Beteiligten deutlich spürbar. Wegen der Corona-bedingten Schulschließungen mussten wir das ursprünglich für den Sommer geplante „Global Goals“ Projekt dann aber erst einmal auf Eis legen und in den Herbst verschieben. Den zweiten Anlauf haben wir dann im September gestartet.
Moritz: Apropos September! Da hast du als Program Manager für Scrum4Schools Deutschland bei borisgloger consulting angefangen. Du bist quasi von heute auf morgen bei dem Projekt eingestiegen. Wie war das für dich?
Laura: Mein erster Tag an der IGS Süd war der Kick-Off-Workshop mit dir und dem Transition Team Mitte September. Da haben wir beide die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter zum ersten Mal live gesehen und persönlich kennengelernt. Die Atmosphäre war super, ich habe mich sehr wohl gefühlt. Ich konnte feststellen, dass sich das Transition Team schon unglaublich viele Gedanken zur Projektumsetzung gemacht hat. Insbesondere die bereits sehr gut durchdachten und ausgearbeiteten Dokumente, wie z.B. den Lernauftrag für die Schülerinnen und Schüler, fand ich gelungen und hilfreich.
Meine erste Erkenntnis: Erst mit dieser Begegnung mit dem Team und der Schule begann ich, die Arbeitsweisen und Strukturen wirklich zu durchschauen. Ich setzte mich anschließend intensiv mit dem Kontext der Schule, den pädagogischen Hintergründen und den speziellen Rahmenbedingungen auseinander. Aber zunächst holte ich die wichtigsten Informationen ein, bspw. wie sich die Schulklassen zusammensetzen und wer wann Unterricht hat. Dann erstellte ich den Entwurf eines Projektfahrplans.
Moritz: Du hast die Arbeitsweisen und Strukturen also erst beim Kick-off erkannt, was meinst du damit genau?
Laura: Das pädagogische Konzept der Schule hat Auswirkungen darauf, wie die Schule organisiert ist. Die rund 500 Schüler:innen sind in insgesamt fünf Gruppen aufgeteilt, die nach den Kontinenten benannt sind, mit jeweils vier Klassen. Die IGS Süd ist eine integrierte Schule, das heißt, Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Jahrgänge lernen gemeinsam in einer Klasse. Diese Aufteilung hat aktuell zur Folge, dass es keinen gemeinsamen Raum für alle Lernbegleiter:innen gibt – kein klassisches Lehrerzimmer – in dem sich alle regelmäßig treffen und austauschen können. Die „transkontinentale“ Kommunikation ist dadurch erschwert. So hatte ein Kontinent beispielweise keine Vertretung im Transition Team. Deshalb kamen essentielle Informationen zum Projekt dort erst sehr spät an.
Eine ganz zentrale Frage, die sich daraus für mich ergeben hat, war: Wie arbeiten wir innerhalb dieser Struktur mit den Lernbegleiter:innen zusammen? Wie beraten wir sie? Um ein solches Projekt zum Erfolg zu führen, brauchen wir einen funktionierenden Kommunikationskanal zwischen den Lehrenden und uns Berateri:nnen. Wir werden zudem agile Artefakte einführen (Taskboard, Weekly Sync o. ä.), mit denen wir besser gemeinsam arbeiten können.
Meine zweite und wichtigste Erkenntnis war: Wir lernen hier gerade alle etwas Neues und sind live bei einem unglaublich spannenden Experiment dabei.
Laura: Und für dich, Moritz? Was macht dieses Scrum4Schools-Projekt für dich besonders?
Moritz: Ich schließe mich deinem letzten Punkt an. Bisher haben wir im Rahmen von Scrum4Schools eher kleine bis mittelgroße Schulprojekte mit bis zu 80 Schüler:innen unterstützt. Diesmal haben wir es mit einem skalierten Projekt zu tun, bei dem 500 Kinder und Jugendliche – also die komplette Schule – zeitgleich am selben Projekt arbeiten. Das erhöht die Komplexität ungemein. Es stellt sowohl die Schule als auch uns vor spannende neue Herausforderungen und sorgt für eine steile Lernkurve bei allen Beteiligten. Wir konnten bereits ganz viele Situationen identifizieren, in denen die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter mit Scrum und agilem Arbeiten ihre bereits bestehenden Strukturen und Arbeitsweisen noch weiter verbessern können. Da sind wir jetzt dran.
Die Blog-Reihe: Scrum4Schools an der IGS Süd:
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